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Die Anzahl der Pflegebedürftigen wird laut BMG bis 2050 auf ca. 7,5 Mio. steigen. Rund 80% aller Pflegebedürftigen werden zu Hause von Angehörigen oder Freunden betreut, oftmals von ambulanten Pflegediensten unterstützt [1-4]. Im Vordergrund steht immer eine stabile Grundversorgung, die auf Ernährung, Medikamentengabe und Körperpflege fokussiert ist. Obgleich die Notwendigkeit der Mundpflege offensichtlich ist, wird sie oft vernachlässigt. Dies hat gesundheitliche Konsequenzen für die Pflegebedürftigen. Unzählige Studien belegen, dass eine unzureichende Mundhygiene das Risiko für systemische Erkrankungen erhöht [5].
Bereits bestehende Krankheitsbilder, wie z.B. Diabetes Typ II, werden verschärft, denn Prozesse im entzündeten Zahnfleisch fördern die Insulinresistenz der Zellen. Umgekehrt erhöht ein Diabetes die Wahrscheinlichkeit der Entwicklung einer Gingivitis bzw. Parodontitis [6]. Dennoch sind Angehörige kaum über pathogene Keime der Mundhöhle und deren Wirkungen auf den menschlichen Organismus informiert. Ebenso fehlen meist Kenntnisse über die Wechselbeziehung von chronischen Grunderkrankungen, der Mundhöhle und Medikamenten, obgleich pflegebedürftige Menschen im Durchschnitt fünf oder mehr Medikamente einnehmen [7,8].
Von einer Polymedikation sind besonders multimorbide Pflegebedürftige betroffen. Hier kann die Kombination von Krankheit und Arzneimittel erhebliche Auswirkungen auf die Mundgesundheit haben. Die Xerostomie ist eine davon. Mundtrockenheit entsteht häufig durch die Einnahme von Antihypertensiva, Antidepressiva, Diuretika oder Parkinsonpräparate [9,10]. Doch der Speichel hat als natürlicher Schutzfaktor eine wichtige Funktion: Dazu zählen Neutralisation von Säuren, Remineralisation des Zahnschmelzes, Reinigung der Mundhöhle und Schutz vor Infektionen [11,12]. Fehlt der Speichel, entsteht ein trockenes, oft brennendes Mundgefühl, Pflegebedürftige können sich nicht mehr mitteilen – die Zunge klebt am Gaumen. Es kommt zur schnelleren Plaquebildung, was das Risiko für Karies, Gingivitis und Parodontitis (Abb. 1 und 2) deutlich erhöht.
Pflegende sollten daher die Symptome von Xerostomie erkennen, um passende Maßnahmen einleiten zu können, z.B. eine gezielte hochkonzentrierte Fluoridanwendung oder die Empfehlung feuchtigkeitsspendender Präparate [13,14]. Besonders kritisch ist die Situation, wenn ein vorhandener Zahnersatz aufgrund seiner Komplexität schwieriger zu reinigen ist (Abb. 3–5).
Im Folgenden wird das Vorgehen zur Pflegeschulung dargestellt. Der beispielhafte Fall demonstriert zudem, dass Pflegegrade in Verbindung mit Polymedikation und einer mangelhaften Mundhygiene zwar zu stark entzündlichen Prozessen führen können, diese aber durch individuelle Vorbeugungsmaßnahmen vermeidbar und sogar reversibel sind.
Fallbeispiel: Pflegebedürftiger Mann, 88 Jahre
Ein 88-jähriger Patient, Pflegegrad 4, nach Apoplex pflegebedürftig, lebte in einem Pflegeheim, wo er täglich von seiner Frau besucht wurde. Er litt an einer rechtsseitigen Parese, war sprachlich und feinmotorisch stark eingeschränkt. Seine Polymedikation war dem allgemeinen Gesundheitszustand und dem Diabetes angepasst. Der Ober- und Unterkiefer des Patienten war mit festsitzendem Zahnersatz, bestehend aus Kronen, Brücken und zwei Inlays, hochwertig versorgt. Die Mundhygiene wurde vom Patienten selbstständig durchgeführt, während sich das Pflegepersonal auf vorbereitende Maßnahmen beschränkte – mit mangelhaftem Ergebnis.
Die Präventionsmaßnahmen und die Inspektion in der Praxis offenbarten einen Plaque- und Blutungs-Index von nahezu 100%. Speisereste, subgingivale Konkremente und eine massive Entzündung des Parodontiums. Des Weiteren fehlte dem Patienten die Frontzahnkrone 21. Es galt, weiteren gesundheitlichen Schaden vorzubeugen.
Um den sofortigen Handlungsbedarf gerecht zu werden, wurde die Ehefrau mittels „Learning by Doing“ in der praktischen Mundhygiene geschult. Neben einer Begutachtung der Mundhöhle und Optimierung von Hilfsmitteln wurde eine Verbesserung der Reinigungstechniken gezeigt. Eine der Mundhygienesituation angepasste Zahncreme führte zu einer intensiven Entfernung von Plaque, wirkte antibakteriell und sorgte für die Härtung des Zahnschmelzes. (Abb. 6–10). Nach drei individuellen Übungsterminen konnte die Teilnehmerin eine zielsichere Zahn- und Mundpflege bei ihrem Ehemann binnen 5 Minuten durchführen. Der positive Effekt war nicht zu übersehen! Innerhalb weniger Tage war die Zahnfleischentzündung abgeklungen.
Fazit – 5 Minuten reichen aus!
Die Mundhöhle ist ein Spiegel der allgemeinen Gesundheit – und zugleich Eintrittspforte für Mikroorganismen, die systemische Erkrankungen verursachen. Mangelhafte Mundhygiene kann chronische Erkrankungen wie Diabetes und rheumatoide Arthritis verschlechtern [15,16], das Risiko für Pneumonien erhöhen (v.a. bei bettlägerigen Patienten) [17,18], Entzündungen im Mund fördern, die auch andere Organe belasten können [19] und sogar das Risiko für Demenzerkrankungen steigern, da kognitive Einschränkungen oder Sprachstörungen eine Kommunikation verhindern [10,21]. Aspekte, die in Beratungsgesprächen sehr deutlich gemacht werden sollten, um das Verständnis für die Relevanz einer guten Mundhygiene zu stärken und die klare Haltung zu etablieren: Mundpflege ist keine Nebensache, sondern ein zentraler Bestandteil professioneller Pflege.
Mit den passenden Hilfsmitteln, wie elektrischen Zahnbürsten, Interdentalbürsten sowie auf die individuellen Bedürfnisse der Patienten abgestimmter Zahncreme und Techniken, lässt sich eine wirkungsvolle Zahn- und Mundpflege auf leichte Weise auch in der Pflege umsetzen. Chronische Krankheitsbilder, die daraus resultierende Polymedikation und komplexer Zahnersatz sind eine realistisch zu bewältigende Herausforderung in der Mundhygiene [22]. Fünf Minuten Zahn- und Mundpflege täglich reichen aus, wenn Pflegekräfte und Angehörige gezielt und informiert handeln. Pflegende haben die Möglichkeit, durch gezielte Unterstützung die Mundhygiene ihrer Anvertrauten signifikant zu verbessern. So wird Allgemein- und Zahngesundheit generiert, die mehr Lebensqualität und Freude schafft und letztendlich auch die Pflege leichter gestaltet – weil Lächeln kein Alter kennt.
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